Anna lebt
Eine Lesung im Rahmen der Ausstellung »Neue Anfänge nach 1945?« im Herntrichsaal.

Da will das Thema der Vorlage sorgsam ausgesucht sein. Und genau das war es. Julia Rath vom Eventmanagement / Stiftung Alsterdorf und Verantwortliche für die Reihe »Vorlesen! Lesungen in einfacher Sprache«, hatte bei der Wahl der Vorleserin das richtige Gespür. Mechthild Großmann, charismatische Film- und Fernsehschauspielerin hatte auf Nachfrage spontan zugesagt, Auszüge aus dem Buch »Annas Spuren« von Sigrid Falkenstein zu lesen - in einfacher Sprache. Nach der Begrüßung und Einführung in das Thema durch Dr. Michael Wunder (Beratungszentrum) las Mechthild Großmann die furchtbare Geschichte des Euthanasieopfers Anna mit einer dermaßen starken Empathie und Eindringlichkeit, dass man bei jedem Gast des vollbesetzten Herntrichsaals das Entsetzen über die im Buch geschilderten Vorgänge von den Augen ablesen konnte. Der erst nach einer Minute des Luftholens einsetzende Applaus nach Ende der Lesung erschien eher pflichtgemäß, denn niemandem war nach Applaus, sondern eher nach Schweigen zumute. Neben dem exzellenten Vortrag Mechthild Großmanns trug noch ein weiterer Aspekt zu der dichten und sehr bewegenden Atmosphäre der Veranstaltung bei: die Anwesenheit der Autorin Sigrid Falkenstein. Sie schilderte nach der Lesung in eindrücklicher Weise die Entstehungsgeschichte ihres Buches, einer Geschichte, die Teil ihrer Familienbiographie ist. Jahrelange Recherchen in Krankenakten ermöglichten es ihr, ein fast lückenloses Bild der Leidensgeschichte ihrer Tante Anna zu dokumentieren und in ihren Roman zu fassen. Befragt nach ihrem Eindruck, wie sie ihr in »schwerer Sprache« verfasstes Buch, nun vorgetragen in einer Fassung mit leichter Sprache, empfinde, äußerte sie sich ebenso wie Mechthild Großmann sehr positiv beeindruckt. »Ich wusste vorher nicht richtig, was das eigentlich ist: einfache Sprache. Aber meine heutige Lesung hat mir gezeigt, dass einfache Sprache eine würdige Sprache ist. Ohne Kringel. Reine Tatsachenschilderungen können fast noch stärker wirken als bei der so genannten schweren Sprache. Und Frau Falkenstein hat mit ihrem Buch vor allem eins geschafft: Anna lebt!«, betonte Großmann in der anschließenden Diskussion mit der Autorin und den Gästen.
Lebhaft waren auch die Diskussionen der Besucherinnen und Besucher untereinander am Ende der Veranstaltung. Alle standen noch unter dem großen Eindruck des gerade Gehörten und ließen den Abend -umsorgt vom aufmerksamen Cateringteam des Kesselhauses- nachdenklich ausklingen. Jedoch nicht ohne noch einen Blick auf die eindrucksvolle und thematisch verknüpfte Ausstellung zu werfen.
Die Ausstellung »Neue Anfänge nach 1945? Wie die Landeskirchen Nordelbiens mit ihrer NS-Vergangenheit umgingen« ist noch bis zum 10. Mai 2016 im Herntrichsaal anzuschauen.
Weitere Buchlesungen in einfacher Sprache:
Jörgpeter von Clarenau liest ›Das Labyrinth der Wörter‹ von Marie-Sabine Roger
Donnerstag, 12. Mai, 18.00 Uhr, Atelier Lichtzeichen, Alsterdorfer Markt 10
Stefan Gwildis liest ›Romeo und Julia‹ von William Shakespeare
…und macht Musik mit barner16, dem inklusiven Netzwerk von Künstlerinnen und Künstlern mit und ohne Handicaps.
Donnerstag, 26. Mai, 18 Uhr, Alte Küche, Alsterdorfer Markt 10
Berndt Rytlewski
Arndt Streckwall
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