„Quereinsteiger*innen bringen Lebenserfahrung“

Die Schulleitungen Jessica Hruschka und Gerd Nodorp der fachschule für soziale arbeit alsterdorf lächeln in die Kamera.

Die HEP-Kampagne „werde HEPpy“ startete 2023. HEP? Das ist die Abkürzung für Heilerziehungspflege. Heilerziehungspfleger*innen arbeiten in Wohnhäusern, Pflegeeinrichtungen, Werkstätten, Tagesförderstätten sowie in Kitas und Schulen – also immer dort, wo Menschen im Alltag auf Unterstützung angewiesen sind.

Um die Unterstützung für Menschen auch in Zukunft zu gewährleisten, braucht es aber mehr Heilerziehungspfleger*innen, mehr HEPs. Deshalb haben sich mehrere Träger der Eingliederungshilfe in Hamburg zusammengeschlossen und die HEP-Kampagne ins Leben gerufen. Mit dabei sind im Verbund der Evangelischen Stiftung Alsterdorf die fachschule für soziale arbeit alsterdorf, die alsterdorf assistenz ost, die alsterdorf assistenz west und alsterarbeit sowie das Sozialkontor und Leben mit Behinderung Hamburg.

Zusammen werben die Träger für die Ausbildung zum*zur Heilerziehungspfleger*in. Die Schulleitungen der fachschule für soziale arbeit Jessica Hruschka und Gerd Nodorp waren besonders intensiv in die HEP-Kampagne involviert. Im Interview geben die beiden Einblicke darin, wie sich die Kampagne weiterentwickelt hat und wie dadurch der Blick auf die Ausbildung geschärft wurde.

 

Die HEP-Kampagne, die um Auszubildende in der Heilerziehungspflege wirbt, geht in die zweite Runde. Ein Jahr ist es her, seitdem die HEP-Kampagne gelauncht wurde. Was haben Sie aus der ersten Kampagne gelernt?

Jessica Hruschka: Beide Kampagnen haben eine etwas unterschiedliche Ausrichtung. Bei der ersten Kampagne ging es uns darum, das Berufsbild selbest anzuschauen. In der breiten Bevölkerung ist das nämlich sehr unbekannt. Man kennt die Pflege oder Heilpraktiker*innen, aber Heilerziehungspflege? Deshalb wollten wir in Zusammenarbeit mit der Agentur herausfinden, was unsere Schüler*innen an diesem Beruf schätzen. Dazu haben wir in einen Kurs aus dem ersten Semester der Vollzeit-Ausbildung genauer hineingehorcht.

Von den Schüler*innen kam daraufhin das für uns sehr spannende Ergebnis zurück, dass sie ihre Erfahrungen innerhalb der Ausbildung zur Heilerziehungspflege mit großer Leidenschaft teilen. Jede*r hatte einen anderen Grund genannt, aber alle hat vereint, wie gerne sie die Ausbildung machen. Denn sie können ihre eigenen Interessen und Talente sowohl in die Ausbildung als auch in die Arbeit mit einbringen. Hier passiert auch ganz viel in der Entwicklung der eigenen Persönlichkeit. Und das führt echt zu Begeisterung. Begeisterung darüber, etwas bewegen zu können, mit dem, was man selbst mitbringt.

So kam es dazu, dass die Kampagne unter dem Slogan „werde HEPpy“ entstand. Zu erfahren, wie sehr unsere Schüler*innen die Ausbildung zum HEP als Gewinn ansehen, war nochmal eine richtig schöne Wertschätzung unserer Arbeit. Im Alltag bekommt man ja sowas oft nicht mit.

Gerd Nodorp: Es hat sich auch gezeigt, dass es richtig war, die HEP-Kampagne trägerübergreifend zu gestalten. Das hat alle Akteure mehr in den Austausch gebracht. Wir haben alle ein gemeinsames Interesse und Fachkräfte machen nicht vor Träger-Grenzen halt. Es ist eine Gesamtaufgabe aller Träger, die Versorgungssituation in der Eingliederungshilfe auch für die Zukunft zu sichern.

Es ist auch gut, gemeinsam auf die Ausbildung zu schauen. Unsere Lehre muss schließlich anschlussfähig sein zu den Jobs danach. Und die Arbeitgeber*innen müssen im Blick haben, was die HEP-Auszubildenden alles mitbringen und was sie wollen. Zusammen können wir die Ausbildung noch weiter denken. Es hat wirklich einen Entwicklungsprozess in Gang gesetzt.

Wo haben Sie in der Neuauflage der HEP-Kampagne nachgebessert?

Jessica Hruschka: Ich würde gar nicht sagen, dass wir nachgebessert haben, sondern wir haben den Fokus anders gesetzt. In der neuen HEP-Kampagne nehmen wir stärker Quereinsteiger*innen in den Blick, aber auch ungelernte Fachkräfte, die schon in der Eingliederungshilfe oder einem verwandten Bereich arbeiten.

Während der ersten HEP-Kampagne haben wir gleichzeitig auch unsere berufsbegleitende Ausbildung etwas umgestellt. Seitdem findet die Ausbildung nicht mehr abends statt, sondern an zwei festen Schultagen in der Woche. Zudem können die Auszubildenden ihre reguläre Arbeit bei einem sozialen Träger als Praxis-Zeit anrechnen lassen. Es hat sich nämlich gezeigt, dass viele gar nicht eine sehr flexible Ausbildung brauchen, sondern eine, die sie verlässlich in ihren Alltag integrieren können. Da waren Abendkurse eher hinderlich, wenn die meist älteren Schüler*innen beispielsweise ihre Kinder ins Bett bringen müssen.

Die Arbeit an der Kampagne hat nochmal stark den Blick nach innen geschärft: diese Vielfalt, aber auch die Möglichkeiten der Entfaltung. Indem wir uns stärker mit unseren Schüler*innen beschäftigt haben, konnten wir die Zielgruppe besser begreifen. Und das schlägt sich dann wiederum in der Gestaltung der Ausbildung nieder.

Gerd Nodorp: Die Evaluation der ersten HEP-Kampagne hat auch verdeutlicht, dass viele Schüler*innen auf Empfehlung zu uns kommen – durch Kolleg*innen, Freund*innen oder Familie. Wir richten uns also nicht nur an potenzielle Schüler*innen, sondern beispielsweise auch an eine Assistenz-Teamleitung in der Wohngruppe. Das öffnet auch nochmal den Blick für Leitungen, die sich anschauen, wen sie alles im Team haben. Auch sie werden darauf aufmerksam, wer im Team von einer HEP-Ausbildung noch profitieren könnte.

Dieses Jahr fokussiert sich die HEP-Kampagne also mehr auf Quereinsteiger*innen und bisher ungelernte Kräfte in der Eingliederungshilfe. Was bringen diese Menschen mit?

Gerd Nodorp: Viele haben vorher schon einen anderen Beruf gelernt oder haben ein Studium absolviert oder abgebrochen. Sie bringen ihre eigene Lebensgeschichte mit – mit allen Erfahrungen. Das zeigt sich auch in den Videos, die wir für die Kampagne erstellt haben. Egal, ob man Musiker*in war oder Hörakustiker*in, die Menschen können viel von dem Erfahrungs- und Wissensschatz ihrer vorherigen Tätigkeiten mitnehmen. Das Berufsbild der Heilerziehungspflege ist so vielseitig und lebt von Erfahrungen.

Quereinsteiger*innen bringen unterschiedliche Formen an Lebenserfahrung mit. Sie bringen Kompetenzen mit aus abgebrochenen Studiengängen, aus der Ausbildung, aus dem Leben und aus der Entscheidung, etwas anderes machen zu wollen. Die wissen ganz genau, warum sie hier sind und die HEP-Ausbildung machen. Die haben ihr Leben umstrukturiert, um diese Ausbildung machen zu können. Das gibt ihnen auch richtig viel Kraft und Motivation.

Jessica Hruschka: Die Personen, die schon als ungelernte Kraft in der Eingliederungshilfe arbeiten, bringen viel Praxiswissen mit. In der Ausbildung erhalten sie dann das theoretische Hintergrundwissen. Wir bekommen oft als Rückmeldung, dass diese Schüler*innen durch die HEP-Ausbildung richtig begeistert ihrer Arbeit nachgehen. Endlich können sie ihre Arbeit in der Praxis mit Theorie untermauern. Endlich wissen sie, warum bestimmte Dinge im Arbeitsalltag so gemacht werden. Das hebt nicht nur die Motivation, sondern auch das Selbstbewusstsein. Es braucht schließlich auch Mut, als ungelernte Kraft später im Leben doch noch eine Ausbildung zu machen. Das gibt wiederum Anerkennung. Und wenn diese Menschen die Ausbildung dann auch abschließen, dann sind sie richtig HEPpy.

Wie alt sollte man sein für die HEP-Ausbildung?

Gerd Nodorp: Man ist nie zu alt für die HEP-Ausbildung. Letztens erst habe ich mit einer Interessentin telefoniert, die gefragt hat, ob sie noch mit Anfang 40 HEP werden kann. Und natürlich kann sie das. Gerade solche Menschen brauchen wir – die ihre Lebenserfahrung mitbringen und was verändern möchten.

Schlagworte:

  1. Assistenz
  2. Bildung

Veröffentlichungsdatum:

Weitere Neuigkeiten

Zurück zur Übersicht