Gebärdenchor „HandsUp“: Wenn Hände die Rolle von Stimmen übernehmen, wird Inklusion zur Kunst
Es gibt wenige Projekte, die so eine Strahlkraft besitzen und zudem so viel Aufmerksamkeit erregen. Musik bringt Menschen zusammen – und wenn Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam gebärden, ist das ein ergreifendes Erlebnis. Seit 2012 gibt es den inklusiven Gebärdenchor „HandsUp“, der mittlerweile aus 30 Personen besteht. Auftritte in der TV-Show von Helene Fischer und in der Elbphilharmonie gemeinsam mit Stefan Gwildis sind Highlights, auf die man stolz sein kann. Chorleiterin Ines Helke ist selbst hörbehindert und wurde wegen ihres unermüdlichen Einsatzes für Chor, Inklusion und Empowerment im Oktober 2019 mit der „Goldenen Bild der Frau“ ausgezeichnet.
Wie der Name „HandsUp“ vermuten lässt, geht es hierbei nicht nur ums Singen, sondern gleichermaßen um Gebärdenpoesie. Mit anderen Worten: Die Hände übernehmen die Rolle der Stimme, Strophen werden in künstlerischen Ausdruck übersetzt. Inklusion mit viel Freude und Feingefühl. Ob Pop, Kinderlieder oder Gospels, ob geistige, körperliche oder ohne Behinderung – der Gebärdenchor „HandsUp“ ist ein kultureller Botschafter für Inklusion, Empowerment und Partizipation.
Die Zuschauer*innen kommen zudem mit wichtigen Kommunikationsformen in Berührung: der Gebärdensprache und der Gebärdenpoesie. Das Wichtigste allerdings ist, dass die Chormitglieder Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl aus ihren Auftritten ziehen und sich gegenseitig unterstützen. Das fördert die persönliche Entwicklung der Einzelnen sowie als Gruppe.
Doch so erfolgreich dieses Projekt auch ist, der Gebärdenchor kann sich noch nicht alleine tragen. Jedoch haben wir durch die „Aktion Mensch“ einen wertvollen Förderer an unserer Seite, der erneut für zwei Jahre eine finanzielle Unterstützung zugesagt hat. Dann hoffen wir, dass der Gebärdenchor auf eigenen finanziellen Füßen steht und sich durch Auftrittshonorare finanzieren kann.
Doch bis dahin gilt es, eine Vielzahl an Hürden zu überwinden. So stellt die Koordination der Auftritte erhebliche Anforderungen dar, das Repertoire soll erweitert, die Probentermine erhöht, der Einsatz von Requisiten ausgebaut werden. Zudem möchten wir in Lernvideos und Öffentlichkeitsarbeit investieren, mit dem Ziel, die künstlerische und organisatorische Professionalisierung zu gewährleisten. Auch mit Ihrer Hilfe.
Kurzfilmfestival „KLAPPE AUF!“: Exklusiv, inklusiv, innovativ – von diesem kulturellen Highlight partizipieren alle
Ein einmaliges Festival – bereits zum vierten Mal realisiert: Mit unserem inklusiven Kurzfilmfestival „KLAPPE AUF!“ haben wir eine besondere kulturelle Institution etabliert. Und das haben auch unsere großzügigen Spenderinnen und Spender ermöglicht. Doch der Reihe nach:
Was macht „KLAPPE AUF!“ eigentlich so einzigartig? Konzeption, Programmauswahl, Organisation und Moderation werden von Beginn an gleichberechtigt von Menschen mit und ohne Behinderung durchgeführt! Und Menschen mit und ohne Handicap sitzen selbstverständlich ebenfalls gleichberechtigt im Publikum.
Im Jahr 2019 wurden unter dem Motto „Befindlichkeiten und andere Katastrophen“ 2.150 Kurzfilme aus 98 Ländern eingereicht, darunter auch Länder wie Thailand, Kirgisistan, Montenegro oder Irland. Ein absoluter Rekord, alle Filme wurden von dem „KLAPPE AUF!“-Team über Monate gesichtet. Am Ende schafften es 35 Filme in den Wettbewerb. Rund 2.000 Personen besuchten das Kurzfilmfestival im Metropolis Kino. Der Wettbewerb bestand aus drei Jurypreisen, einem Publikumspreis sowie einem Team-Preis. Besonders erfreulich: Viele der Filmemacher haben dem Publikum ihre Filme persönlich vorgestellt. Als Schirmherr konnten wir erneut den Filmemacher Fatih Akin gewinnen.
Doch so eine Veranstaltung ist aufwendig und kostenintensiv. So müssen u. a. die technischen Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass Menschen mit Behinderung an einer Kulturveranstaltung wie dieser überhaupt teilnehmen – und diese genießen können. Ob barrierefreier Zugang, Untertitel für Gehörlose, Audiodeskription für Blinde und Sehbehinderte oder Gebärden- und Schriftdolmetscher für die Moderationen oder ein Programm für Menschen mit Autismus – das sind nur einige der organisatorischen und finanziellen Herausforderungen, die es zu bewältigen galt.
Doch der Erfolg hat uns mal wieder recht gegeben! Und das gilt nicht nur für das Festival. Das „KLAPPE AUF!“-Team ist mittlerweile ein kompetenter Ansprechpartner für alle diejenigen, die sich mit der Durchführung von umfassend barrierefreien Kulturveranstaltungen befassen, und sie werden vermehrt für Beratung angefragt. Und genau das wollen wir erreichen: Kulturveranstaltungen sollen selbstverständlich barrierefrei sein. Der Weg bisher war nur möglich durch die Förderung der „Aktion Mensch“ sowie das wertvolle Engagement von fördernden Stiftungen. Vielen Dank dafür!
KinderWohnen: Familie auf Zeit – Zeit für Kindheit
Für die meisten Kinder sind Wärme und Geborgenheit durch ihre Familien eine Selbstverständlichkeit. Doch leider viel zu oft können sich Eltern nicht ausreichend um das Wohl ihrer Kinder kümmern – oftmals aufgrund von psychischen oder gesundheitlichen Problemen.
Seit 2011 kümmern wir uns um diese Kinder. Im „KinderWohnen“ finden Mädchen und Jungen ab 6 Jahren nicht nur ein Zuhause auf Zeit, sondern viel Geborgenheit, Zuverlässigkeit und Orientierung. Mit anderen Worten: eine Kindheit! Unsere Sozialpädagogen holen als feste Bezugspersonen mit viel Geduld und gezielter Förderung das Beste aus den Kindern und deren individueller Entwicklung heraus. Damit stärken wir nicht nur die Kinder, sondern die gesamte Familie. Um dies zu erreichen, arbeiten wir eng mit den Eltern zusammen. Ziel ist es, dass die Kinder bald wieder nach Hause zurückkehren können.
Viele von den Kindern, die in unsere Einrichtung kamen, sind heute nicht wiederzuerkennen. Sie sind fröhlicher, ausgeglichener und selbstbewusster. Das macht uns stolz – und bestärkt uns darin, „KinderWohnen“ weiter auszubauen.
Doch dies ist kostenintensiv. Und obwohl wir öffentlich gefördert werden, reichen diese Gelder nicht aus. Dank Ihres Engagements können wir den Kindern im „KinderWohnen“ beispielsweise neue Schuhe kaufen, wenn die alten schlichtweg zu klein geworden sind, oder können es den Jungs und Mädchen ermöglichen, an einem Schwimmkurs teilzunehmen. Hier können sie neue Freundschaften schließen, Sport treiben und sich zukünftig sicher im Wasser bewegen. Ihre Unterstützung trägt dazu bei, dass diese Kinder trotz aller Widrigkeiten eine erfüllte Kindheit erleben und gut gerüstet ihren Platz im Leben finden.
Sportlotse: Gemeinsam bringen wir Hamburg in Bewegung
Mit unserem Bereich „Sport & Inklusion“ leisten wir einen wesentlichen Beitrag für das Handlungsfeld „Sport für alle“ im Rahmen des Masterplans „Active City“ der Stadt Hamburg. Bis 2024 sollen hier die sportlichen Planungen umgesetzt werden. Und dass wir hierbei eine starke Rolle spielen, ist kein Zufall. Schließlich haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, Menschen mit Behinderungen in Bewegung zu bringen.
Doch das stellt eine echte Herausforderung dar. Selbst in einer Großstadt wie Hamburg sind Sport- und Bewegungsangebote für Menschen mit Behinderung selten – und dadurch meistens nicht wohnortnah. Zudem fehlt es oftmals an individueller Assistenz oder an entsprechenden Informationen über vorhandene Angebote. Das wollen wir ändern! Menschen mit Handicaps sollen Sport für sich entdecken, Erfahrungen machen und Sport treiben können. Und dies möglichst im eigenen Stadtteil und gleichberechtigt.
Aus dieser Vision entstand das Projekt „Sportlotse“, mit dem wir inklusive Sportkompetenz in Sozialräume bringen. Der Sportlotse ist ein Sportwissenschaftler, der über profunde Kompetenz im inklusiven Sport verfügt. Er sichtet bestehende Angebote, vermittelt zwischen Sportlern, Vereinen sowie Sportanbietern und hilft bei der Umsetzung in den Vereinen. Er begleitet, schult und überwacht – bis alles nach Plan läuft. Innerhalb von sechs Jahren sollen auf diese Weise 60 zusätzliche Sport- und Bewegungsangebote für Menschen mit Behinderung geschaffen werden.
Dank der finanziellen Unterstützung durch „Aktion Mensch“, Privatpersonen und Unternehmen konnte das Projekt 2018 erfolgreich im Stadtteil Alsterdorf starten, mit Wandsbek und Altona-Mitte sollen weitere Stadtteile zeitnah folgen. Hierbei nutzen wir die Verbindungen und Erfahrungen aus unserem „Quartiersprojekt Q8“, mit dem wir in vielen Hamburger Quartieren in der Sozialraumentwicklung aktiv sind. Wissenschaftlich begleitet wird das Projekt übrigens durch Studierende der Uni Hamburg.
Kugel: Wir verstehen uns spielend!
Kommunikation ist das A und O der menschlichen Interaktion. Wir möchten uns mitteilen, verstanden werden und zuhören können. Eine Sprache zu erlernen ist von wesentlicher Bedeutung für die Kommunikation – aber auch für die gesamte Entwicklung von Kindern. Ist der Spracherwerb aufgrund einer globalen Entwicklungsstörung oder Behinderung verzögert, so kann dies auch die Beziehung von Kind und Eltern belasten. Die Kinder verzweifeln, weil sie sich nicht verstanden fühlen – die Eltern sind ratlos, weil sie sich nicht zu helfen wissen.
Für Eltern von entwicklungsverzögerten Kindern zwischen 1,5 bis 4 Jahren bieten wir ein Programm an, das die Eltern-Kind-Interaktion verbessert und dabei hilft, schneller die ersten Wörter zu sprechen: „Kugel – Kommunikation mit unterstützenden Gebärden – ein Eltern-Kind-Programm“. Kugel wurde von Logopädinnen des Werner Otto Instituts in Zusammenarbeit mit Kolleginnen aus Heidelberg entwickelt und ist äußerst effektiv: In kleinen Gruppen lernen Eltern, die gesprochene Sprache durch Gebärden zu unterstützen – die Kinder wiederum lernen spielerisch, wie sie sich mitteilen und ihre Wünsche äußern können.
Ein weiterer Vorteil an dieser Gebärden-unterstützten Kommunikation (GuK) ist der daraus resultierende schnellere Spracherwerb. Die Kinder beginnen häufig früher damit, ihre ersten Wörter zu sprechen. Darüber hinaus fördert das gemeinsame Lernen auch die Interaktion zwischen den Kindern und ihrer Umgebung – sie fühlen sich weniger ausgeschlossen.
Bedauerlicherweise erstatten Krankenkassen diese Leistung nicht. Daher sind wir ausschließlich auf Spenden angewiesen, um dieses großartige Programm dauerhaft anbieten zu können. Denn wir möchten, dass jedes Kind verstanden wird.
Inklusives Beteiligungsprojekt Sengelmann-Quartier: Planung auf Augenhöhe
Die inklusive Beteiligung von Menschen mit Behinderung in Planungs- und Entscheidungsprozessen ist oft eine Herausforderung für alle Beteiligten, bringt jedoch nach unserer Erfahrung bessere Ergebnisse. Knappe Zeitfenster, kommunikative Anforderungen, aber auch mangelnde Erfahrung mit inklusiver Beteiligung sind oftmals Gründe, warum ausschließlich Fachleute diese Entscheidungen treffen. Mit anderen Worten: Fast immer wird „über“ und nicht „mit“ Menschen mit Handicaps entschieden.
Im Sengelmann-Quartier, dem Gelände der Evangelischen Stiftung Alsterdorf, in Hamburg-Alsterdorf ist das anders! Hier entwickeln wir mit Unterstützung der „Aktion Mensch“ ein Beteiligungsprojekt, das ebenso innovativ wie inklusiv ist. Erklärtes Ziel des Beteiligungsprojektes ist es, dass noch bessere und praktikablere Lösungen für das Quartier durch gezielte Einbindung von Menschen mit Behinderungen geschaffen werden. Hierfür wurde u. a. ein „inklusives Planungstandem“ – bestehend aus je einem Partizipationskoordinator mit und ohne Behinderung – eingerichtet. Dieses Tandem durchleuchtet vorhandene Planungsstrukturen, setzt neue Impulse für eine inklusive Planungskultur und entwickelt neue Formate auf Augenhöhe.
Dabei wird nicht nur eine Brücke zu den Fachplanungen geschlagen. Auch Erfahrungen und Methoden werden dokumentiert und so aufbereitet, dass andere Quartiere davon profitieren können. Im Sengelmann-Quartier lebende und arbeitende Menschen mit Behinderung sind direkt und von Beginn an in die Projektentwicklung eingebunden.
Um herauszufinden, wie der Stand inklusiver Beteiligung im Sengelmann-Quartier ist und wo gute Anknüpfungspunkte sein können, haben die Partizipationskoordinatoren zunächst umfangreiche Interviews mit Experten aus den unterschiedlichsten Bereichen vor Ort geführt. Um Impulse für eine inklusive Planungskultur zu setzen, entwickelt das Tandem gemeinsam mit Menschen mit Behinderung neue Beteiligungsformate. Den Start macht eine inklusive Wahl-Info-Veranstaltung zur Hamburger Bürgerschaftswahl, geplant und durchgeführt von einem Team aus Menschen mit und ohne Behinderungen. Weitere Themenschwerpunkte für die zukünftige Arbeit sind u. a. digitale Teilhabe, inklusive Quartierskultur und Beteiligung an Freiraumplanungs- und Bauprozessen.
Der gesamte Prozess wird durch externe Experten mit und ohne Behinderung begleitet und ist erfolgreich angelaufen. Ziel des Projekts ist es, dass inklusive Beteiligung als ein strukturelles Element im Sengelmann-Quartier verankert wird. Um dies zu erreichen, sind wir weiterhin auf Spenden angewiesen.