Wirtschaftsbericht der Evangelischen Stiftung Alsterdorf 2021
Wesentliche Vorgänge des Geschäftsjahres 2021
Das Jahr 2021 war in vielerlei Hinsicht ein anspruchsvolles Jahr. Es war geprägt von der allgemeinen Corona-Pandemiesituation, allerdings in einem geringeren Umfang als im Vorjahr. Die hohe Impfquote und weiterentwickelte gesundheitspolitische Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung zeigten Wirkung. Die von der ESA im Vorjahr frühzeitig ergriffenen Gesundheitsschutz-, Sicherheits- und Hygienemaßnahmen wurden auch 2021 fortgesetzt. Erforderliche Anpassungen bestehender Maßnahmen erfolgten im Einklang mit den Empfehlungen und Handlungsanweisungen der Bundesregierung und der Bundesländer. An vielen Standorten wurden Impfaktionen für Mitarbeiter*innen, Klient*innen und Patient*innen angeboten. Mitarbeiter*innen wurden flexible Arbeitsformen ermöglicht. Mit hohem Engagement haben die Mitarbeiter*innen die Umsetzung laufender und neu begonnener Projekte und Vorhaben ermöglicht. Ein vertrauensvolles Miteinander, Offenheit und die Bereitschaft zur ständigen Weiterentwicklung prägten die Arbeit.
Das Jahr 2021 stand aber auch im Zeichen des 200. Geburtstages von Pastor Heinrich Matthias Sengelmann, dem Gründer der Evangelischen Stiftung Alsterdorf. Mit der Gründung der damaligen Alsterdorfer Anstalten hat Pastor Sengelmann bereits im Jahr 1863 einen Grundstein gelegt, Menschen mit Behinderung bessere Lebensbedingungen zu bieten. Der Mut, neue Wege zu beschreiten und Lösungen zu suchen, ist eine Haltung, die die ESA noch heute in der täglichen Arbeit prägt.
2021 wurden vom Vorstand erstmals drei strategische Energiefelder definiert, die die Haltung, die gemeinsamen Werte, das Handeln und das Miteinander in der ESA beschreiben:
- ESA Community & Vernetzung
- Inklusion durch Sozialraumorientierung
- Diakonisches Profil
Auch die voranschreitende Digitalisierung beeinflusste bereichsübergreifende Projekte innerhalb der ESA:
- Die neue interne Kommunikationsplattform „myESA“ wurde im Oktober 2021 stiftungsweit eingeführt. Durch myESA sollen die digitale Vernetzung und die bereichsübergreifende Zusammenarbeit vorangetrieben und somit der Informationsfluss, der Wissensaustausch und die Teamarbeit gefördert werden.
- Das Projekt ESA-PM.digital im Bereich Personal wurde wie geplant 2021 fortgeführt. Wesentlicher Projektinhalt ist die Modernisierung der bestehenden personalwirtschaftlichen IT-Systeme, insbesondere des Entgeltabrechnungssystems. Der Bereich Personal soll entsprechend den veränderten Anforderungen zu einer effektiveren Steuerungs- und Dienstleistungsfunktion im ESA-Unternehmensverbund weiterentwickelt werden.
- Ebenfalls wurde 2021 die grundlegende Erneuerung der IT-Infrastruktur in den Bereichen Standortvernetzung, Netzwerk und Telefonie vorbereitet.
Die Reformierung der Eingliederungshilfe durch das Bundesteilhabegesetz (BTHG) ist auch 2021 und darüber hinaus noch nicht abgeschlossen. Die Umsetzung der dritten Stufe des BTHG, die insbesondere im Bereich der sozialen Teilhabe die Trennung der Fachleistungen von den existenzsichernden Leistungen sowie die Neuordnung der Leistungsträgerschaft vorsieht, wurde wie bereits 2020 auch im Jahr 2021 durch die Corona-Pandemie zusätzlich erschwert und verzögert. In den Bundesländern Niedersachsen und Schleswig-Holstein wurden im Rahmen der BTHG-Einführung 2020 Leistungsvereinbarungen geschlossen, die lediglich Übergangslösungen für das Jahr 2021 darstellen. Die Verhandlungen über die für die Jahre 2022 ff. langfristig neu abzuschließenden Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen zur Umsetzung des BTHG werden voraussichtlich erst im Laufe des Jahres 2022 abgeschlossen werden.
Die für die Jahre 2019 bis 2023 abgeschlossene Folgevereinbarung zum Trägerbudget mit der Sozialbehörde bildet einen stabilen Rahmen für die Geschäftstätigkeit der Assistenz-Gesellschaften der ESA und der alsterarbeit. Die Budgetraten für 2021 wurden in voller Höhe gezahlt, dies bis einschließlich Juli aufgrund der im Rahmen des Sozialdienstleister-Einsatzgesetzes getroffenen Vereinbarung mit der Stadt Hamburg. Gemeinsames Ziel der Trägerbudget-Folgevereinbarung ist, die in den vergangenen Jahren entwickelten Ansätze weiter zu vertiefen, neue Projekte umzusetzen, um die Teilhabe von Menschen mit Unterstützungsbedarf zu stärken.
Die allgemeine finanzielle Lage der Krankenhäuser bleibt weiterhin schwierig. Steigenden Energie-, Personal- und sonstigen Sachkosten stehen Erträge gegenüber, die nicht in gleichem Maße steigen, sondern z. B. durch sogenannte Mehrleistungsabschläge bzw. Fixkostendegressionsabschläge gedeckelt sind. Gleichzeitig nehmen die regulatorischen Eingriffe durch den Gesetzgeber zu. So führt bspw. die Nichterfüllung umfassender Personalvorgaben zu Sanktionen, bis hin zum kompletten Erlösausfall für spezielle Leistungen. Die Vorgaben und Nachweispflichten für den Personaleinsatz insbesondere im Pflegedienst nehmen weiter zu. In der Folge bleibt der Fachkräftemangel insbesondere im Bereich der Pflege und des ärztlichen Dienstes spürbar.
Ausgleichszahlungen oder sonstige Unterstützungs- und Hilfsmaßnahmen zur Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie hat es 2021 für die beiden Krankenhäuser EKA und HSK nicht gegeben.
Durch den vorübergehenden Aufnahmestopp im EKA in den Fachbereichen Geriatrie, innere Medizin und Chirurgie/Orthopädie Anfang des Jahres 2021 sowie eine ganzjährig geringere Nachfrage nach elektiven Leistungen hat es im EKA Leistungsrückgänge gegeben, die im weiteren Verlauf des Jahres trotz größter Anstrengungen nicht kompensiert werden konnten.
Im Bildungsbereich erforderten auch im zweiten Pandemiejahr die Einschränkungen im Regelbetrieb bis hin zur vollständigen Schließung bei den Schulen und Kitas grundlegende organisatorische und kommunikative Anpassungen, um den bestehenden Bildungs- und Betreuungsauftrag gewährleisten zu können. Die maßgeblich durch den „Digitalpakt Schule“ refinanzierten Anschaffungen zum Ausbau der digitalen Infrastruktur ermöglichten den verstärkten Einsatz digitaler Medien und Techniken sowie einen schnellen und reibungslosen Wechsel in den digital gestützten Fernunterricht. Auf Grundlage des „Digitalpakts Schule“ konnte der Bildungsbereich im Jahr 2021 etwa 0,6 Mio. € in IT-Infrastruktur und -Ausstattung für Schüler*innen und Lehrkräfte investieren. Auch für die Folgejahre sind weitere Investitionen für den digitalen Ausbau der Schulen geplant.
Aufgrund der anhaltend hohen Nachfrage nach Vorschulplätzen im Schuljahr 2021/22 wurden drei neue Vorschulklassen errichtet.
Wesentliche Bau- und Investitionsmaßnahmen im Jahr 2021
Die Hochbauplanung für eine rd. 10.000 m2 große Teilfläche des ESA-Geländes – das sogenannte Koops-Quartier – wurde 2021 abgeschlossen. Der Baubeginn für die knapp 100 Wohnungen ist für Mai 2022 vorgesehen.
In der Heidlohstraße 65 in Hamburg-Schnelsen ist mit dem Bau von 39 öffentlich geförderten Wohnungen begonnen worden, die im Rahmen eines inklusiven Quartiers sowohl an Klient*innen wie auch an berechtigte Mieter*innen vermietet werden sollen.
Das Objekt Alsterdorfer Markt 7 („Haus Michelfelder“) wurde für die neue Nutzung als „Kompetenzzentrum für ein barrierefreies Hamburg“ umgebaut. Die Fertigstellung und Übergabe an die Mieter ist für April 2022 geplant.
Ebenso werden im April 2022 die Arbeiten zur Instandsetzung und Umgestaltung der Stiftungskirche St. Nicolaus nebst Erstellung eines Lern- und Gedenkortes für die Opfer der Euthanasie abgeschlossen sein.
In Kiel wurden die Arbeiten am Van der Camer-Haus in der Hasseer Straße 22 fortgesetzt. Es handelt sich dabei um eine umfassende Sanierung des Objektes im bewohnten Zustand. Insofern wird hier mit einer Bauzeit bis 2024 gerechnet.
Die öffentliche Ausschreibung der Planungsleistungen für das Projekt „Straße der Inklusion“ konnte 2021 abgeschlossen und der Planer-Auftrag vergeben werden. Das Projekt umfasst die Sanierung von sechs teilweise denkmalgeschützten Gebäuden rund um die Stiftungskirche St. Nicolaus. Die Gebäude bilden gemeinsam die mittlerweile über 150-jährige Geschichte der ehemals Alsterdorfer Anstalten und heutigen ESA gut ab. Sie zeigen exemplarisch, wie sich jeweils in ihrer Zeit das Verständnis für Menschen mit Behinderung und der Umgang mit ihnen darstellten und veränderten.
Im Jahr 2019 wurde in Abstimmung mit der Sozialbehörde der Stadt Hamburg ein Erweiterungsbau (Psychiatrie, Epilepsie-Monitoring, Qualifizierter Entzug legaler Drogen und Tagesklinik für Geriatrie) für das EKA genehmigt. Im Januar 2020 erhielt das EKA eine Fördermittelzusage von der Stadt Hamburg in Höhe von rd. 47 Mio. €. Nach vorbereitenden Maßnahmen 2020 wurde 2021 mit dem Bau begonnen. Die Fertigstellung ist für den Sommer 2023 geplant. Die Erweiterung ist eine optimale Unterstützung für die zukünftige Gewährleistung des besonderen Versorgungsauftrags des EKA für Hamburg.
Ebenfalls wurde der Neubau des Betriebsgebäudes der alstergärtner in Farmsen fertiggestellt und in Betrieb genommen.
Leistungsentwicklung und Jahresergebnis
Auch das Jahr 2021 war herausfordernd: Die Entwicklungen der ESA-Leistungsbereiche waren von vielen Faktoren beeinflusst, maßgeblich weiterhin von den Auswirkungen der Corona-Pandemie. 2021 zeichnete sich eine moderate Erholung in den ESA-Leistungsbereichen ab.
Steigerungen bei den Leistungsentgelten, Refinanzierungssätzen und Zuwendungen, höhere Auslastungen sowie der Ausbau neuer Leistungsangebote konnten einen Rückgang der Erlöse aus Werkstattleistungen (insbesondere im Geschäftsbereich alsterarbeit-IT, bedingt durch mangelnde Warenverfügbarkeit) kompensieren, sodass das operative Erlösniveau 2021 trotz coronabedingter Restriktionen insgesamt leicht über Vorjahresniveau lag.
Der Rückgang der Gesamtleistung der ESA im Vergleich zu 2020 um etwa 39,4 Mio. € auf 335,1 Mio. € erklärt sich aus den im Vorjahresvergleich geringeren Erträgen im Fördermittelbereich. Im Vorjahr enthielten die Erträge mit rd. 45 Mio. € die Fördermittelzusage der Stadt Hamburg für den Neubau der psychiatrischen Abteilung einschließlich der Erweiterung des Epilepsiezentrums Hamburg im EKA. Korrespondierend wurden im Vorjahr Verbindlichkeiten aus noch nicht verwendeten Fördermitteln aufwandswirksam gebucht.
Die durchschnittliche Anzahl der Mitarbeiter*innen erhöhte sich von 6.568 auf 6.651 Mitarbeiter*innen.
Der ESA-Unternehmensverbund erzielte ein Jahresergebnis in Höhe von rd. 309 T€, nach einem Fehlbetrag in Höhe von rd. –527 T€ im Vorjahr.
Finanz- und Vermögenslage
Zum Bilanzstichtag 31.12.2021 erhöhte sich die Bilanzsumme um rd. 1,4 Mio. € auf 298 Mio. €.
Die Investitionen in das Sachanlagevermögen beliefen sich im Jahr 2021 auf rd. 11,8 Mio. €. Die Investitionen entfielen zum Großteil auf Anlagen im Bau, die die Planungs- und Baukosten für die laufenden Neubau- bzw. Sanierungsprojekte – wie zuvor erläutert – enthalten. Weitere Investitionen betrafen Investitionen in Einrichtung und Ausstattung, vorrangig in die EDV-Ausstattung und die IT-Systeme. Die 2021 getätigten Investitionen wurden aus Fördermitteln, Spenden, Kreditaufnahmen sowie aus Eigenmitteln finanziert. Das Anlagevermögen hatte zum Bilanzstichtag einen Anteil von 67 % am Gesamtvermögen (Vj.: 66 %), der Anlagendeckungsgrad lag bei rd. 88 % (Vj.: 85 %).
Die Zunahme des Eigenkapitals um 329 T€ auf 52,1 Mio. € ergibt sich im Wesentlichen aus dem Jahresergebnis 2021. Die Eigenkapitalquote blieb mit rd. 17 %, bedingt durch die ebenfalls gestiegene Bilanzsumme, auf Vorjahresniveau. Unter Berücksichtigung des Sonderpostens ergibt sich eine Eigenkapitalquote von rd. 40 % (Vj.: 37 %), bedingt durch den Anstieg des Sonderpostens aus Fördermitteln nach dem KHG, der im Jahr 2021 erstmalig die bereits verwendeten Einzelfördermittel für den Neubau der Psychiatrie im EKA umfasst.
Die Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten reduzierten sich insgesamt um rd. –3,3 Mio. €, begründet durch planmäßige Tilgungen und Sondertilgungen, denen baubezogene Darlehensaufnahmen in geringerem Umfang gegenüberstehen. Die flüssigen Mittel in Form von Kassenbestand und Guthaben bei Kreditinstituten sind gegenüber dem Vorjahresstichtag um rd. 2,2 Mio. € auf 28,6 Mio. € angestiegen.
Die Vermögens- und Kapitalstruktur ist stabil und trotz der im Jahr 2020 ausgebrochenen Corona-Pandemie und deren Auswirkungen zufriedenstellend. Durch ein angemessenes Finanzmanagement stehen weiterhin ausreichend liquide Mittel zur Erfüllung des operativen und strategischen Finanzbedarfs des ESA-Unternehmensverbunds zur Verfügung. Durch eine gezielte Liquiditätssteuerung soll eine zuverlässige und dauerhafte Liquiditätsversorgung gewährleistet und gleichzeitig zusätzliche Belastungen durch Verwahrentgelte (Bankgebühren) reduziert werden.
Ausblick
Grundsätzlich ist die Nachfrage nach Leistungen der Sozial- und Gesundheitswirtschaft weitestgehend konjunkturunabhängig und wird insbesondere durch die demografische und gesellschaftliche Entwicklung in Deutschland weiter ansteigen. Es ist anzunehmen, dass die sozialen Dienstleistungen des ESA-Unternehmensverbunds weiterhin in Anspruch genommen und darüber hinaus auch zunehmen werden. Daher wird kontinuierlich in den Erhalt der für die Angebote der ESA notwendigen Gebäude, die Schaffung inklusiver Wohn- und Betreuungsangebote für Menschen mit Assistenzbedarf, den Ausbau bedarfsorientierter medizinischer Angebote sowie in die Entwicklung fachlich innovativer Konzepte investiert. Auf diese Weise sichert die ESA ihre Leistungsfähigkeit für die Zukunft. Sie ist damit weiterhin ein wichtiger diakonischer Dienstleister und Arbeitgeber für Hamburg und Schleswig-Holstein.
Die Corona-Situation, die unsicheren Zukunftserwartungen, der wirtschaftspolitische Kurs der Bundesregierung, weitere bürokratische oder steuerliche Belastungen werden sich auch auf die Leistungsentwicklung der ESA im Jahr 2022 auswirken: Der weitere Verlauf der Pandemie sowie die daraus resultierenden Folgewirkungen sind weiterhin schwer abschätzbar. Durch den im Februar 2022 begonnenen Russland-Ukraine-Krieg haben sich die bestehenden Unsicherheiten im gesamtwirtschaftlichen Umfeld verstärkt. Lieferengpässe und anhaltend hohe bzw. absehbar weiter steigende Kosten für Rohstoffe und Energie, aber auch sich ändernde Rahmenbedingungen in der Gesetzgebung oder Politik, insbesondere in Bezug auf Kostenerstattungen, werden auch (un-)mittelbare Auswirkungen auf die Vermögens-, Ertrags- und Finanzlage der ESA haben. Auch wird die Entwicklung der Länderfinanzen, insbesondere in Hamburg und Schleswig-Holstein, einen zunehmenden Einfluss auf die Refinanzierungsmöglichkeiten der Leistungsangebote des ESA-Unternehmensverbunds haben.
Erschwerend kommt der zunehmende Mangel an Fachkräften hinzu, die für die Erbringung der Dienstleistungen der ESA erforderlich sind. Die Besetzung offener Stellen gestaltet sich immer schwieriger. Dem begegnet die ESA mit umfangreichen Aktivitäten zur Stärkung der „Arbeitgebermarke ESA“.
Die geringe Verfügbarkeit von Fachkräften, die erhöhte Inflation, der anhaltende Kostendruck und die zunehmende Bürokratisierung werden 2022 besondere Herausforderungen darstellen. Dennoch erwarten die Bereiche und Gesellschaften der ESA eine positive Entwicklung. Themenschwerpunkte wie Digitalisierung, Nachhaltigkeit und neue Formen der Zusammenarbeit werden auch das Jahr 2022 prägen.
Download des Wirtschaftsberichtes als PDF (Wirtschaftsbericht 2021)