Strahlende Sonne und warmes Wetter am Alsterdorfer Markt – perfekt für die kleine Gruppe, die sich vor dem Haus Schönbrunn versammelt. Das Haus Schönbrunn ist das historisch älteste Gebäude auf dem Gelände der Evangelischen Stiftung Alsterdorf (ESA). Und hier soll, wie so oft, ein Quartiersrundgang der besonderen Art starten.
Organisiert und durchgeführt wird der Rundgang von Wege zur Inklusion. Die Initiative ist ein inklusives Projekt der Evangelischen Stiftung Alsterdorf, das von der Aktion Mensch gefördert wird. Das Team nutzt das Quartier rund um den Alsterdorfer Markt, um Besucher*innen und Mitarbeiter*innen mit dem Thema Inklusion in Kontakt zu bringen. 2024 startete das Projekt mit der Entwicklung inklusiver Tandem-Rundgänge. In diesem Format der Wege zur Inklusion werden Orte, Gebäude und Menschen vorgestellt, um die Geschichte von Inklusion und Exklusion für die Besucher*innen greifbar zu machen. Bislang haben 600 Menschen aus ganz Deutschland teilgenommen. Wege zur Inklusion – das sind Berndt Rytlewski, Lisa Raschke, Oliver Gehrkens, Leo Siegmann sowie Thies Straehler-Pohl, verantwortlich für die inklusive Geländeentwicklung und Projektleitung, und Julia Rath von der Q8-Sozialraumorientierung. Ein Team, das gerne zusammenarbeitet und mit Herzblut die Gruppe über das Stiftungsgelände führen wird.
Ein Tandem besteht aus zwei Rundgangleiter*innen, die sich bei einer Führung gegenseitig bei der Moderation unterstützen. So ist es auch bei dieser Führung: Berndt Rytlewski, der als ehemaliger Mitarbeiter der Öffentlichkeitsarbeit viel Erfahrung in Geländeführungen und ESA-Geschichte sammelte, wird von Oliver Gehrkens von alsterarbeit als zweiter Rundgangleiter begleitet. Die beiden sind ein gutes Team; locker und bestens informiert spielen sie sich den Ball zu und halten die Gruppe auf Trab. Beide haben schon langjährige Erfahrung, was Rundgänge angeht; Oliver Gehrkens gibt bereits seit 18 Jahren Führungen im Auftrag von alsterarbeit über das Gelände.
Zwischen den Stationen erzählt Thies Straehler-Pohl die Geschichte hinter der Entstehung des Projektes. „Angefangen hat es mit der ‚Straße der Inklusion‘“, so Straehler-Pohl, „einem staatlich geförderten Projekt zur denkmalgerechten Sanierung von ausgewählten historischen Gebäuden auf dem Stiftungsgelände. Die Gebäude stehen für die wechselhafte Geschichte der ESA von ihren Gründungsjahren, geprägt durch Pastor Heinrich Sengelmann, über die räumliche Abschottung der Alsterdorfer Anstalten bis hin zur Öffnung der ESA – etwa mit der Schaffung des Alsterdorfer Marktes als lebendiges Zentrum für das gesamte Quartier im Jahr 2003.“
„Die damalige Vorständin
Die Führung geht über den Lern- und Gedenkort der Kirche St. Nicolaus einmal über das Gelände: vorbei an der Stolperschwelle, am Evangelischen Krankenhaus Alsterdorf (EKA) und am letzten übrig gebliebenen Zaunstück, das das frühere Anstaltsgelände begrenzte. Über einen Abstecher zur barrierefreien Barakiel-Sporthalle und dem neu gebauten Koops-Quartier geht es schließlich zum Marktplatz. Lisa Raschke erzählt, dass das ein klassischer Rundgang von Wege zur Inklusion ist. „Es gibt aber auch andere thematische Schwerpunkte. Wenn ich Führungen organisiere, frage ich die Gruppen immer: Was interessiert euch besonders? Dann kommen auch Führungen zusammen, die einen historischen Schwerpunkt haben. Wir hatten auch schon mal Rundgänge, die sich weniger auf die Geschichte und mehr auf die Gebäude an sich fokussiert haben.
Wir haben sehr viel Wissen im Team und können uns gut anpassen. Am beliebtesten ist aber unser Rundumpaket. Das ist die Führung, die wir jetzt gerade auch machen.“
Die meisten Führungen finden in Kleingruppen statt – und das mit ganz unterschiedlichen Bezügen zur ESA. „Wir haben viele Auszubildende aus den Fachschulen oder Kolleg*innen aus den anderen Bereichen und Gesellschaften“, erzählt Oliver Gehrkens, der sich um die Auswertung der Rundgänge kümmert. Aber auch Gruppen aus anderen Bundesländern seien öfter zu Besuch: zum Beispiel eine Forschungsgruppe aus Bayern, die für mehrere Tage nach Hamburg reiste und sich das Stiftungsgelände anschaute. „Und dann natürlich ganz klassisch die Schüler*innengruppen. Wir haben schon jede Altersgruppe einmal abgedeckt“, sagt Julia Rath.
Eine „perfekte“ Gruppe sollte offen und wissbegierig in eine Führung gehen. „Wir freuen uns über jede Frage und jede Diskussion, die sich ergibt“, sagt Berndt Rytlewski. „Wenn unsere Rundgänge im Tandem gehen, können wir uns auch beim Laufen super aufteilen. Wenn ich mit Oliver oder Leo unterwegs bin und vorne laufe, passiert es ganz oft, dass sich hinten mit meinem Tandempartner ganz eigene Diskussionen ergeben. Unsere Führungen sind also sehr lebendig und nicht so statisch. Das ist auch das, was den Gruppen am meisten an unseren Führungen gefällt.“
Fragt man das Team, was für sie das Schönste an Wege zur Inklusion ist, dann ist die Antwort ganz klar – das Miteinander im Projekt! „Das Arbeiten in einem inklusiven Team ist absolut bereichernd. Wir haben alle sehr unterschiedliche Schwerpunkte und können uns super ergänzen“, sagt Julia Rath mit einem Lächeln. Als Epileptikerin kann Lisa Raschke die Epilepsie-Geschichte der ESA besonders gut beleuchten – und mit ihren eigenen Anekdoten ausschmücken. Mit viel Humor vergleicht sie beispielsweise ihre Zeit im Krankenhaus mit der Fernsehshow Big Brother; und lockert mit solchen Geschichten die Führung weiter auf. „Unsere Gedenk- und Erinnerungskultur kann durch Wege zur Inklusion noch viel mehr leben“, sagt Berndt Rytlewski. „Inklusion ist nur dann möglich, wenn wir auch die Schattenseiten unserer Geschichte aufarbeiten – das haben wir gemacht. Ich finde es besonders schön, dass wir alle Seiten unserer Geschichte mit diesen Führungen näherbringen können.“
Es sind aber nicht nur Führungen: Wege zur Inklusion will noch mehr. „Wir fangen gerade erst an!“, erzählt Julia Rath. So soll es weitere Formate geben, wo Menschen mit Behinderung sich mit Besucher*innen austauschen können – „Wir haben zum Beispiel großes Interesse am Austausch mit Unternehmen, die ihre Teams inklusiver aufstellen möchten. Wir können uns vorstellen, dass es für Mitarbeitende aufschlussreich ist, einfach mal mit Menschen mit Behinderungen über Alltagsthemen zu reden. Eine Erfahrung, die wir jeden Tag machen.“
Die Führung endet wieder vor dem Haus Schönbrunn. Etwas über 90 Minuten lang hat Wege zur Inklusion das Gelände gezeigt und die vielfältige Geschichte der ESA in all ihren Facetten beleuchtet. Zum Schluss sagt Berndt Rytlewski noch: „Inklusion ist nie abgeschlossen, es gibt immer mehr Entwicklungen und mehr Veränderung.“ Ein Satz, der genauso gut auf Wege zur Inklusion passt.
Text: Sara Katharina Hauptmann
Dieser Artikel erschien ursprünglich im alsterdorf Magazin 01 2025.






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