Sprachassistenten, Bewegungssensoren, Künstliche Intelligenz – der technische Fortschritt schreitet immer schneller voran und mit ihm die Chance auf einen selbstbestimmteren Alltag. Gerade Menschen mit körperlichen und geistigen Einschränkungen können durch den Einsatz digitaler Hilfsmittel Autonomie und Lebensqualität gewinnen. In diesem Bericht stellen wir Ihnen ein paar der beliebtesten Tools vor, die aktuell in der alsterdorf assistenz ost gGmbH im Einsatz sind.
Digitale Hilfsmittel bieten wachsende Potenziale im Berufsleben wie im Privaten. In diesem Beitrag schauen wir uns verschiedene Tools und deren Einsatzgebiete für Menschen mit Behinderung an. Dafür haben wir mit den Kolleginnen Berrit Schwarz und Miriam Schulz aus dem Fachdienst für Unterstützte Kommunikation (UK) gesprochen. Ihre Aufgabe ist es, Fachwissen an Kolleg*innen zu vermitteln, das Klient*innen bei der Interaktion mit ihrer Umwelt unterstützt.
Generell muss beim Einsatz von Technik zwischen offiziellen UK-Hilfsmitteln und anderen digitalen Innovationen unterschieden werden. Während anerkannte UK-Hilfsmittel, wie z.B. der Talker oder Kommunikationshilfen per Augensteuerung, über die Krankenkassen beantragt und finanziert werden können, ist die Anschaffung anderer Geräte häufig nur durch Spenden möglich. Gleichwohl bieten Letztere einen großen Mehrwert für die Klient*innen.
Die „UK-Classics“
Zu den digitalen All-time Favourites der UK gehört u.a. die Voxa Leiste, auf der verschiedene gesprochene Worte und Sätze programmiert und per Knopfdruck abgespielt werden können. Sehr beliebt ist auch die Software Meta Search, eine digitale Bibliothek mit Bildsymbolen, die für diverse Zwecke eingesetzt werden können. Bei vielen dieser „Klassiker“ geht es um das Visualisieren bzw. strukturieren von zeitlichen und räumlichen Abläufen sowie eine vereinfachte Verständigung. In den letzten Jahren sind darüber hinaus immer mehr inklusive Apps entwickelt worden, so z.B. iNA.Coach, eine mobile Anwendung zur Planung von Aufgaben, die die alsterdorf assistenz ost gGmbH derzeit in ihren Tagesförderstätten einführt.
Spiel und Spaß mit der Tover Tafel
Eine der neuesten technischen Anschaffungen ist die Tover Tafel, die seit einigen Monaten in der Tagesförderung Schiffbeker Weg genutzt wird. Diese besteht aus einem Beamer mit integriertem Bewegungssensor, der an der Decke aufgehängt wird und Bilder auf eine horizontale Fläche, z.B. eine Tischplatte oder den Boden projiziert. Diese Bilder können durch Berührung manuell gesteuert werden. So kann man beispielweise Unterwasser-Landschaften entdecken, Basketballkörbe werfen und Hundewelpen apportieren lassen. Die Beschäftigten der Tagesförderung lieben das interaktive Spiel mit der Tover Tafel, das neben dem Spaßfaktor auch die Motorik fördert und das Selbstvertrauen stärkt.
Der Motion Composer für mehr Selbstwirksamkeit
Darüber hinaus testet die Tagesförderung gerade den sogenannten Motion Composer, einen hochsensiblen Bewegungssensor, der minimale Bewegungen in akustische Signale, beispielsweise Instrumente oder (Natur-)geräusche umwandelt. Das Konzept stammt ursprünglich aus der Musiktherapie und wurde von dem Tänzer Robert Wechsler entwickelt, dessen Vision es war, Musik für alle Menschen zugänglich zu machen.
Das Besondere an dem Gerät ist, dass viele Menschen gemeinsam musizieren können, in dem jede*r ein anderes Instrument bzw. einen anderen Sound besetzt. Ein weiteres Highlight ist, dass der Motion Composer so justiert werden kann, dass er auf kleinste Bewegungen, also z.B. ein Augenblinzeln, reagiert. Dadurch können auch Menschen mit starken körperlichen Einschränkungen das Gerät steuern und Selbstwirksamkeit erfahren.
Der CareTable für Senior*innen
Der CareTable sieht aus wie ein überdimensionales Tablet und kann über Touch-Sensorik bedient werden. Er wurde für die Unterstützung und Förderung von Senior*innen entwickelt. Die Software beinhaltet zahlreiche Spiele, Mal- und Bewegungsangebote sowie die Möglichkeit zur Videotelefonie und Surfen im Internet. Durch die Größe ist es sowohl für Menschen mit Sehschwäche als auch für Gruppenagebote gut geeignet. Darüber hinaus bietet er Möglichkeiten der Biografiearbeit. Aktuell ist der CareTable im Rungetreff in Barmbek im Einsatz, der überwiegend von Senior*innen besucht wird.
Der Talker mit integrierter Umfeldsteuerung
Bereits in einer früheren Ausgabe des Alsterdorf Magazins haben wir über die junge Klientin Maya berichtet, die eine Schwerstmehrdachbehinderung hat und sich ausschließlich über einen Talker ausdrücken kann, der per Augensteuerung funktioniert. Mittlerweile kann Maya einfache Spiele mit dem Talker spielen, z.B. Ballons zum Platzen bringen. Inzwischen trainieren sie und ihre Assistentin, die Interaktion mit dem Talker und der Umwelt zu verknüpfen. So kann Maya zukünftig über spezielle Infrarotsteckdosen, an denen unterschiedliche Geräte angeschlossen sind, z.B. ihren digitalen Sternenhimmel über dem Bett einschalten oder das Radio an und ausmachen. Für einen Menschen, der sich bislang ausschließlich mit Mimik verständigen konnte, ist dies eine enorme Errungenschaft an Selbstbestimmung.
Das Potential Künstlicher Intelligenz
Neben solch spezieller Hardware ist das Thema KI für die Eingliederungshilfe besonders spannend. Neben intelligenten Sprachsteuerungssystemen wie Alexa testet die alsterdorf assistenz ost gGmbH derzeit Lösungen für die Übersetzung in Einfache bzw. Leichte Sprache. Hierfür nutzt ein Testteam seit kurzem die professionelle Software SUMM AI, die jeden noch so komplizierten Text barrierefrei macht. Besonders hilfreich ist dies im Zusammenhang mit Informationsmaterialen für Klient*innen. Eine Prüfgruppe aus der Tagesförderung Harmsstraße in Hermannsburg testet die überarbeiteten Texte auf ihre tatsächliche Verstehbarkeit. Das Thema KI wird auch in Zukunft ein allgemein spannendes Entwicklungsfeld für die Eingliederungshilfe darstellen.
Der Einsatz braucht Fachkompetenz
Trotz all der Möglichkeiten, die diese technischen Errungenschaften bieten, darf nicht übersehen werden, dass die Einführung von Hilfsmitteln teils viel Geduld, pädagogisches Geschick und Kreativität erfordert. Was bei der einen Person hervorragend funktioniert, führt bei der nächsten noch lange nicht zum Erfolg. Dennoch ist es erfreulich, dass immer mehr Assistent*innen das Beratungsangebot des Fachdienstes nutzen und sich aufgeschlossen gegenüber innovativen Methoden zeigen. Denn Inklusion bedeutet eben auch: die Teilhabe am technischen Fortschritt unserer Gesellschaft.
Text: Susanne Brand
Dieser Artikel erschien ursprünglich im alsterdorf Magazin 03 2024.




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