Wenn aus Nachbarn Freunde werden

Im Innenhof sitzen Nachbarn und Familien zusammen.

Ein lauer, fast schon frühsommerlicher Nachmittag im neu gebauten Koops-Quartier am Alsterdorfer Markt: Junge Familien verbringen Zeit auf dem benachbarten Spielplatz oder haben sich in einem der großen Innenhöfe ein Plätzchen in der Sonne gesucht. Kinder aller Altersklassen toben gemeinsam um die Häuser. Nachbar*innen treffen sich bei strahlendem Sonnenschein spontan mit Kaffee und Kuchen zum Plausch vor dem Haus. Und mittendrin Quartiersbegleiterin Lara Gößling.

Im Koops-Quartier, dem neuen Wohngebiet auf dem Stiftungsgelände, herrscht an diesem Nachmittag reges Treiben. Das frühlingshafte Wetter lockt die Menschen aus den Wohnungen, gute Laune liegt in der Luft. Obwohl sich die Nachbarschaft erst in den vergangenen Wochen und Monaten ganz neu gefunden hat, gibt es bereits viel Kontakt untereinander. Der Großteil der

Wohnungen wurde Mitte Oktober 2024 an die neuen Mieter*innen übergeben. Bis zum Jahresende waren fast alle weiteren Wohnungen vermietet.

Im Innenhof sitzen Nachbarn und Familien zusammen.Benannt wurde das inklusive und innovative Wohnquartier am Alsterdorfer Markt nach Karl Koops, einem jungen Mann mit Behinderung, der mit Stiftungsgründer Pastor Heinrich Matthias Sengelmann 1863 auf das Gelände der heutigen Evangelischen Stiftung Alsterdorf zog. Auf dem Grundstück eines ehemaligen Großwohnheims für Menschen mit Behinderung ist in den letzten Jahren jetzt etwas ganz Besonderes entstanden: ein modernes und vor allem inklusives Wohnquartier mit insgesamt 90 Wohnungen in unterschiedlicher Größe und für ganz unterschiedliche Bedarfe und Zielgruppen – für Menschen mit und ohne Behinderung, für Jung und Alt, Groß und Klein. Nicht zuletzt die moderne und komfortable Ausstattung der Wohnungen, z. B. mit bodentiefen Fenstern, Fußbodenheizung,

Bodenbelägen in Eichenholzoptik, Energieeffizienz, hat viele Interessent*innen begeistert. Zudem hat jede Wohnung eine Terrasse oder Loggia. Barrierefreie Aufzüge, eine Tiefgarage, großzügige Abstellflächen, z. B. für Kinderwagen oder Rollatoren, Fahrradabstellräume, aber auch elektrische Türen gehören im Rahmen einer barrierefreien Ausstattung dazu.

„Wir haben das Quartier bewusst als Schritt in Richtung einer offenen und inklusiven Gesellschaft geplant“, so Frank Voß, Leiter Immobilien, Bau und Technik (IBT) der Evangelischen Stiftung Alsterdorf (ESA). Und so ist auch die gesamte Planung des Projekts ein Gemeinschaftsprojekt vieler Bereiche der ESA: Beteiligt waren an der Projektentwicklung neben der IBT der Bereich Quartiersentwicklung Q8, die beiden Assistenzgesellschaften der Stiftung, die alsterdorf assistenz west (aawest) und alsterdorf assistenz ost (aaost), sowie das Evangelische Krankenhaus Alsterdorf (EKA). Gemeinsam mit dem Stiftungsvorstand wurde der Masterplan für das inklusive Wohnprojekt entwickelt und zunächst einmal definiert: Was sind überhaupt maßgebliche Eckpunkte für inklusives Wohnen?

„Zur inhaltlichen Ausgestaltung des Projekts wurde auch ein Begleitgremium ins Leben gerufen, das intensiv in die Planungen mit einbezogen war“, erläutert Thies Straehler-Pohl von der Quartiersentwicklung Q8. „So konnten wir sicherstellen, dass möglichst unterschiedliche Bedarfe auch wirklich gut abgebildet werden.“ Straehler-Pohl (Q8) und Voss sowie Hans-Martin Fäller, Georg Grambow und Mathias Ritter (alle IBT) haben das Projekt als verantwortliche Projektleiter umgesetzt. Im Rahmen eines beschränkten städtebaulichen Wettbewerbs und unter Einbindung des Bezirksamts ist es so gelungen, das Koops-Quartier als inklusives Wohnquartier zu realisieren. So wurden 25–30 Prozent des Wohnraums für Menschen mit Assistenzbedarf reserviert. Und hier kamen sowohl die Assistenzgesellschaften alsterdorf assistenz west (aawest) und alsterdorf assistenz ost (aaost) als auch das Krankenhaus ins Spiel. Die Bewohner*innen von 20 Wohnungen im Quartier werden seitens der Assistenzgesellschaften unterstützt und begleitet. Die aawest betreut mit ihren Assistenzleistungen

Bewohner*innen in 10 Einzelwohnungen sowie eine 4er-Wohngemeinschaft. Die aaost unterstützt mit ihren Mitarbeitenden Bewohner*innen in 9 Wohnungen, teilweise mit Kindern mit Behinderung.

Vier Menschen gehen einen Weg entlang. Einer hält einen Blindenstock.Statt in einem Wohnhaus nur gemeinsam mit Menschen mit Behinderung zu leben, wohnen Klient*innen nun im Koops-Quartier in einem „völlig normalen“ Umfeld, das mit seiner Barrierefreiheit aber nicht nur auf Menschen mit Behinderung abgestimmt ist. Nicht zuletzt älteren Mitbewohner* innen, aber auch Familien mit Kindern kommt dies zugute. Weitere 8 Wohnungen wurden über das Epilepsie-Zentrum am EKA für Menschen mit Epilepsie vergeben. Diese 2-Zimmer- Wohnungen sind bezüglich der Ausstattung besonders auf ein erhöhtes Sturzrisiko für Epilepsie-Patient*innen ausgerichtet. „Wir haben uns sehr gefreut, für unsere Patient*innen-Klientel mit Epilepsie dieses besondere Wohnangebot vermitteln zu dürfen“, so Dr. Katja Brückner und Dr. Maike Frost aus dem Epilepsiezentrum am Evangelischen Krankenhaus Alsterdorf. Frost begleitet auch nach Einzug weiterhin mit Rat und Tat die Bewohner*innen der „Epilepsie-Wohnungen“. Obwohl: „Diese brauchen meine Hilfe gar nicht mehr so viel“, freut sich Frost über den Erfolg des Projekts. Es besteht zwar auch nach Einzug ein regelmäßiger und loser Kontakt, Bewohner wie Herr T. (Name v. d. Red. geändert), ein junger Mann mit Epilepsie und einer Sehbehinderung, leben im Rahmen des inklusiven Wohnquartiers aber völlig selbstständig und eigenverantwortlich.

Eine Frau unterhält sich.Ergänzend zu dieser bunten Mischung an Bewohner*innen hat sich zudem auch eine Baugemeinschaft, die Koopser Köppe, in das Projekt eingebracht. Mit der Power vieler junger Familien hat auch die Baugemeinschaft die Entwicklung des Quartiers so mit beeinflusst. Entstanden ist letztendlich so ein gut durchmischtes Wohnquartier mit so vielen Facetten, wie seine Bewohner*innen unterschiedlich sind. Innerhalb der Baugemeinschaft hat sich zudem auch eine inklusive Wohngemeinschaft gefunden, der Bewohner*innen von der aawest begleitet

werden. An diesem Nachmittag herrscht in den barrierefrei ausgestatteten Innenhöfen mittlerweile regelrecht ausgelassene sommerliche Atmosphäre: Reges Kommen und Gehen, Jung und Alt, Groß und Klein treffen aufeinander, Menschen mit und ohne Behinderung, mit und ohne Migrationshintergrund nutzen das barrierefreie Mobiliar der Innenhöfe. Es wird geklönt und sich ausgetauscht, gespielt, aber auch Verabredungen für gemeinsame Aktivitäten inner- und außerhalb des Quartiers werden getroffen. Mittendrin: Die bei Q8-Sozialraumorientierung angedockte Quartiersbegleiterin Lara Gößling. Als Ansprechpartnerin für alle Bewohner*innen ist sie an zwei Tagen vor Ort im Quartier. Die Evangelische Stiftung Alsterdorf hat für eine gute Entwicklung des

Wohnquartiers für drei Jahre diese Form der Quartiersbegleitung auf den Weg gebracht. Gößling kümmert sich um das Miteinander der Bewohner*innen in und zwischen den Häusern. „Ich unterstütze z. B. bei Kennenlerntreffen, organisiere und unterstütze gemeinsame Aktivitäten im Quartier, bin aber auch Ansprechpartnerin und Mittlerin zwischen Mietverwaltung und Nachbarschaft“, so Gößling. Und noch eine Besonderheit gibt es im Koops-Quartier, einen Gemeinschaftsraum.

Zwei Frauen unterhalten sich und eine schaut in die Kamera.Hier ist Gößling während ihrer Präsenztage im Quartier meist anzutreffen. Denn so vielseitig wie die Bewohner*innen, so vielseitig sind auch die gemeinsamen Aktivitäten: Die inklusive Kochgruppe trifft sich 1x wöchentlich zum gemeinsamen Kochen im Gemeinschaftsraum mit voll ausgestatteter Küche

und barrierefreiem WC und es gibt Nachbarschaftsfrühstücke, Klönschnackgruppen oder auch Spieleabende. Gößling unterstützt aber auch Projekte wie den lebendigen Adventskalender im Quartier. „Es macht sehr viel Freude, die so unterschiedlichen Wünsche und Ideen aller Bewohner*innen in ihrer Entwicklung zu begleiten“, so Gößling. „Denn diese

sind so vielfältig wie die Bewohner*innen des Quartiers – das macht mir riesigen Spaß und es ist eine tolle Aufgabe, das Quartier auf seinem Weg zu einer inklusiveren Gesellschaft zu begleiten.“ Und dieser Weg ist im gesamten Quartier lebhaft zu spüren.

 

Text: Daniela Steffen-Oschkinat
Dieser Artikel erschien ursprünglich im alsterdorf Magazin 01 2025.

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