Gemeinschaft leben, füreinander da sein

Regionalität gehört zu den acht Handlungsfeldern der neuen ESA-Strategie: „Wir sind in der Metropolregion Hamburg, in Schleswig-Holstein und Niedersachsen zu Hause und fühlen uns der Region verbunden. Hier haben wir starke Partner*innen und sind mit unserer Expertise anerkannt.“ klaarnoord lebt diese regionale Verortung. Die Heimat der neuen Gesellschaft ist Schleswig-Holstein mit einem Schwerpunkt im Kreis Stormarn. Die 22 Standorte sind fest verwurzelt in ihren Ortschaften und Quartieren. Menschen mit Behinderung, Suchterkrankungen oder psychischen Erkrankungen finden hier Unterstützung.

 

Wir setzen uns dafür ein, dass die uns anvertrauten Menschen sicheren Boden unter die Füße bekommen und genau für das Leben gestärkt werden, das sie gern führen möchten.“ Das ist Motto und Verpflichtung zugleich für klaarnoord.

Die Teams von klaarnoord unterstützen und begleiten Klient*innen ambulant, in Tagesstätten oder Wohnangeboten, mit Werk- stattarbeitsplätzen und Assistenzangeboten – mit fachlicher Expertise, tiefer Menschlichkeit und norddeutschem Humor. Die Redaktion war einen Tag lang in Schleswig-Holstein unterwegs und besuchte verschiedene Stand- orte von klaarnoord.

Zu Gast im Alsterweg

Mitten in einem Naturschutzgebiet nahe dem Gut Stegen im Kreis Stormarn liegen vier Wohnhäuser für Menschen mit komplexem Assistenzbedarf und herausforderndem Verhalten wie Selbst- und Fremdaggression. Ein landschaftliches Idyll, mit weidenden Kühen nebenan und eigenen Hühnern im Garten. Durchatmen, den Blick weit stellen – erste Gedanken eines Städters auf Landbesuch. Für die Menschen in den Wohnhäusern bedeutet die reizarme Umgebung Raum für Stabilität, Orientierung und individuelle Betreuung.

Das Assistenzteam, zu dem auch Annett Schultz und Tim Hansen gehören, ist für die besonderen Herausforderungen im Alltag mit den Klient*innen extra geschult. „Einmal im Monat trainieren wir mit Carlos Escalera, dem Leiter des Fachdienstes Intensivpädagogik im Beratungszentrum Alsterdorf der ESA, das von ihm entwickelte Konzept zur Bewältigung von Krisen- und Eskalationssituationen, genannt DOKI“, erklärt Annett Schultz.

In den Wohnhäusern im Alsterweg leben Klient*innen unterschiedlichen Alters und zum Großteil mit hohem psychosozialem Unterstützungsbedarf. Die Frauen und Männer werden vom Assistenzteam mit viel Empathie und Nähe Tag und Nacht begleitet. „Augenhöhe, Partizipation und Achtsamkeit sind für uns von zentraler Bedeutung“, sagt Florian Pöselt, als Assistenzteamleitung verantwortlich für die Wohnangebote im Alsterweg. „Jeder Tag bringt neue Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt, aber an denen unsere Bewohner*innen und wir als Team wachsen.“

Was im Alsterweg 5a auf den ersten Blick nach einer quirligen WG mit großem Wohnbereich und gemütlicher Sofaecke aussieht, braucht feste Regeln und Rituale wie das gemeinsame Mittagessen, die das Zusammenleben als Gemeinschaft stärken und den individuellen Bedürfnissen Rechnung tragen. Das Landleben bringt eigene Themen für alle mit sich. „Wir müssen unseren Alltag gut planen, ob nun die Fahrt zum Supermarkt oder den Arztbesuch“, sagt Annett Schultz. „Spontane Ausflüge, etwa mit Bus und Bahn nach Hamburg, sind nicht möglich. Aber mit Vorläufen und guten Absprachen bekommen wir es prima hin, dass unsere Klient*innen am gesellschaftlichen Leben teilhaben können.“

Dazu gehören der regelmäßige Klönschnack aller Wohngruppen bei Kaffee und selbst gebackenem Kuchen im Hofcafé des benachbarten Guts Stegen – ebenso wie die Teilnahme an Gottesdiensten, am Advents- singen oder andere Einladungen aus der Gemeinde Bargfeld-Stegen.

Kaffeeduft und Hühnergackern

Zum Alltag der Bewohner*innen gehören auch Beschäftigungen wie das Mahlen von frisch geröstetem Kaffee – für den Eigenbedarf, für das Hofcafé. „Unsere Hühner sind aber unser ganz großer Stolz“, sagt Tim Hansen mit einem Lächeln. „Die haben wir mit unseren Bewohner*innen per Hand aufgezogen – und alle helfen mit beim täglichen Füttern der Tiere und beim Ausmisten des Hühnerstalls.“ Den hat der gelernte Dachdecker selbst gebaut.

Mitten im Kiez

In Bad Oldesloe bietet klaarnoord ambulante und teilstationäre Assistenzleistungen an – im Stadtteil Hölk in Kooperation mit Plan B, einer Initiative des ESA-Bereichs Q8. Die Arbeit ist sozialräumlich ausgerichtet und deckt die Beratung und Unterstützung in allen wesentlichen Lebensbereichen ab: von Arbeit und Ausbildung über Behördenansprache und Gesundheit bis zum Wohnen.

Hölk, das sind zwei Hochhäuser, die inmitten von Eigenheimen eine ganz eigene Welt bilden. Ein sozialer Brennpunkt. Monika Moradi-Nejad und Daniel Kabak unterstützen mit ihren Kolleg*innen Menschen mit psychischen Erkrankungen, Suchterkrankungen sowie Menschen in einer vorübergehend schwierigen Lebensphase in ihrem Alltag. Menschen wie Gerhard Kraft. Er lebt seit zehn Jahren mit seinem erwachsenen Sohn in einem der Hölk-Hochhäuser. Der gelernte IT-Experte hat schon viel erlebt im Leben bis hin zum Verlust der eigenen bürgerlichen Existenz inklusive Wohnung.

„Und dann bist du im Hölk, musst dich neu arrangieren, eine neue Aufgabe finden“, erklärt Gerhard Kraft. Er hat sich dann im nahe gelegenen Sozialkaufhaus engagiert, Ordnung in die Waren und Angebote gebracht. „Eine Ordnung, die ich in meiner eigenen Wohnung leider vernachlässigt habe“, sagt er selbstkritisch.

Da waren dann die Expert*innen von klaarnoord und Plan B für ihn da. Haben sich um ihn gekümmert. Ihn, der sich sonst für andere geradegemacht hat. „Menschen wie Maria Herrmann von Plan B und Daniel Kabak von klaarnoord waren immer ansprechbar, haben mich bei Behördengängen, bei finanziellen Fragen und natürlich bei meiner Wohnung unterstützt“, so Kraft weiter. „Heute ist meine Wohnung wieder wohnlich und im nächsten Jahr gehe ich ganz offiziell in Rente. Dann ist auch der Briefkasten wieder mein Freund. Keine Behördenbriefe oder Mahnungen, die dort lauern.“

Bildung bei Kaffee und Kuchen

Das Bürgerhaus in Barsbüttel im Kreis Stormarn bietet eine Vielzahl an Angeboten, um am kulturellen und gesellschaftlichen Leben der Gemeinde teilzunehmen. Es beheimatet auch das Café tohus. Das lauschige Café ist Teil der Psychiatrischen Tagesstätte Barsbüttel der klaarnoord. „Hier können unsere Klient*innen im Tagesbetrieb ihre Fähigkeiten und Interessen in einem echten Arbeitszusammenhang – aber in einem geschützten Rahmen – ausprobieren“, sagt Rainer Passlack, Mitarbeiter der Tagesstätte.

„Darüber hinaus können sie im Bürgerhaus etwa beim gemein- samen Backen und Kochen, im Büro oder bei der Organisation und Durchführung kultureller Veranstaltungen teilhaben, um so ihren eigenen Lebensrhythmus wieder zu stabilisieren und eigene Fähigkeiten auszubauen. Die Tatsache, dass unsere Klient*innen voll integriert sind in die Arbeit des Bürgerhauses, ist einmalig. So findet ein permanenter Kontakt zu den Bürger*innen von Barsbüttel statt – gelebte Inklusion.“

Zu dem Team der Tagesstätte gehören Ergotherapeut*innen, Sozialpädagog*innen und duale Studierende. „Wir wollen unsere Klient*innen aktivieren und befähigen, mit dem Ziel, dass sie ihr Leben in Zukunft wieder selbst in die Hand nehmen können“, so Stefanie Harz aus der Tagesstätte. Diese Stärkung finden die Klient*innen nicht nur im Alltag von Tagesstätte, Bürgerhaus und Café, sondern auch im Rahmen von themenzentrierten Gruppenangeboten.

Aufgehoben in der Gemeinschaft

Mitten in Ahrensburg, der größten Stadt im Kreis Stormarn, befindet sich das Wohnhaus Neue Straße von klaarnoord. Dort und im dazugehörigen Treffpunkt gegenüber werden derzeit 24 Klient*innen betreut: überwiegend junge und aktive Menschen mit Behinderung, aber auch Menschen mit höherem Assistenzbedarf.

Eine große Wohnküche ist das Herz in der Neuen Straße. Hier wird gekocht, gebastelt und erzählt. „Es ist schön, wenn wir gemeinsam das Essen zubereiten oder etwas unternehmen. Es ist aber auch völlig okay, sich in die eigenen vier Wände zurückzuziehen und die Ruhe dort zu genießen“, sagt Iris Bremmes, Assistenzteamleitung.

Und wie schaut ein typischer Tag aus? „Der beginnt oft schon in der Nacht und ist bei allen Routinen immer anders. Um 5.15 Uhr beginnen die Kolleg*innen mit der ersten Runde, verteilen Medikamente, bereiten das Frühstück vor. Dann gibt es eine Übergabe an die beiden Frühdienste, die sich anschließend im Haus verteilen, um unsere Klient*innen mit ihren verschiedenen Bedürfnissen zu unterstützen. Die eine muss nur an ihre Aufgaben für den Tag erinnert werden, der andere braucht eine enge Begleitung. Nach dem Frühstück kommen die Fahrdienste, die die Menschen in die Werkstatt oder die Tagesförderung bringen. Nur wenige unserer Klient*innen bleiben auch tagsüber im Haus.

Dann beginnen die Aufgaben, die jede*r von uns aus dem privaten Alltag kennt: aufräumen, einkaufen, Wäsche waschen. Dazu kommt beispielsweise, Arztbesuche zu planen und zu begleiten. Am späten Nachmittag trudeln die ersten Menschen von ihrer Arbeit ein und das Haus füllt sich wieder mit Leben.“ Was ist das Wichtigste an je- dem Tag? „Kaffee!“, lacht Iris Bremmes. „Den lieben fast alle hier! Aber grundsätzlich ist, dass wir hier unseren Menschen einen Raum geben, der geprägt ist von Achtsamkeit und Miteinander.“

 

Text: Ingo Briechel
Der Artikel erschien ursprünglich im alsterdorf Magazin 02 2024.

Schlagworte:

  1. Assistenz

Veröffentlichungsdatum:

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